Am 27.02.2021 wird es eine komplexe Versammlungslage ab 16:30 Uhr auf dem Erfurter Domplatz rund um eine durch die Stadt verbotene Querdenken-Veranstaltung geben. Eine Gegenkundgebung des Freies Kollektiv Kaffeetrichter wurde abgesagt.
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Die Querdenken-Veranstaltung
In unserem Artikel vom 12.02.2021 haben wir bereits die Ankündigung einer Anmeldung für 10.000 Teilnehmende am 27.02.2020 ab 17 Uhr auf dem Erfurter Domplatz durch das Thüringen Steht Zusammen-Bündnis angerissen. Inzwischen ist klar: Die Versammlung wird aufgrund eines mangelhaften Hygienekonzepts auf Grundlage der aktuellen Thüringer Corona-Schutzverordnung verboten.
Die an der Organisation der Veranstaltung beteiligte Gruppe Erfurt Zeigt Gesicht hat bereits vorab am 21.02.2021 ein Update-Video veröffentlicht, in welchem bereits angekündigt wurde, dass man gegen die Infektionsschutzauflagen klagen wolle und, Zitat Stefan H. am Ende des Videos, „Abgesagt wird die Veranstaltung letzten Endes durch den Anmelder der Veranstaltung und nicht durch die Medien“. Uns erinnert diese Ankündigung von H. stark an den 12.12.2020, als trotz Verbot der Veranstaltung 500 Querdenken-Anhänger:innen nach Erfurt kamen.
Daran erinnert, wie man damals nicht durch die Polizeikette in die Marktstraße gekommen ist, diskutierte man daraufhin, ob das Wiener Modell nicht eine Option darstelle. Das hieße, dass man sich trifft und in der Masse über die Gassen den polizeilichen Absperrungen ausweicht. Hiermit sympathisierte einer der Thüringen Steht Zusammen – Administratoren. Da die Versammlung inzwischen verboten wurde, gehen wir stark von dieser Form des Protestes am Samstag aus.
Im Klageverfahren rechnen wir damit, dass die 500-Teilnehmer:innen-Grenze, wie in anderen Bundesländern schon geschehen, gekippt wird. Sollte Thüringen Steht Zusammen daran festhalten nur ohne Hygieneauflagen zu demonstrieren, wird die Veranstaltung verboten bleiben. Sollten sie sich jedoch auf die Auflagen einlassen, halten wir es nicht für unwahrscheinlich, dass sie sich doch wieder auf dem Domplatz versammeln dürfen.
Edit 26.02.2021: Gemäß eines Artikels der TA (€) und des MDR hat das Verwaltungsgericht Weimar das Verbot der Stadt Erfurt erstinstanzlich bestätigt. Das Gericht ließ sich nicht auf die Argumentation des Klägers ein, dass Corona doch nicht so schlimm sei und kam im Abwägungsprozess Versammlungsfreiheit kontra Gesundheit der Bevölkerung zu dem Schluss, dass das Verbot verhältnismäßig sei. Die Veranstalter:innen kündigten Berufung beim Thüringer Oberverwaltungsgericht an.
In ihrer Stellungnahme vom 24.02.2021 wurde das auch nochmals unterfüttert. Es wurde zwar auf das Verbot der Versammlung hingewiesen, aber nicht dazu aufgerufen, von einer Anreise abzusehen.
Vielmehr liege der Protest im Ermessen jedes Einzelnen. Das ist eine absichtlich abstrakt gewählte Formulierung, die sich mehr an die Mitglieder:innen der Austausch-Gruppe richten dürfte, welche schon zahlreich ihre Anreise, z.T. auch aus anderen Bundesländern, angekündigt haben und welche in Verbindung mit der Ankündigung von Stefan H. im Erfurt Zeigt Gesicht-Video als keine explizite Absage zu verstehen ist.
Im Gegenteil wird bereits in der Querdenken Erfurt-Gruppe schon geplant, wie man trotz des Verbotes mit dem Bus anreisen könne. Demzufolge sollen Busse nicht in die Innenstadt fahren, sondern außerhalb halten und der Restweg soll gelaufen werden.
Die Polizei
Die Polizei auf der Gegenseite hat einen Großeinsatz am 27.02.2021 angekündigt. Man wolle stark, insbesondere in der Innenstadt und den Einfahrtsstraßen, kontrollieren und bittet die Erfurter:innen darum, die Innenstadt am Samstag zu meiden.
Mutmaßlich auch daher hat sie am 20.02.2021 bereits auf einer Versammlung von Querdenken Erfurt eine Generalprobe durchgeführt. Dabei wurde die Versammlung von Hamburger Gittern umschlossen und es gab Einlasskontrollen durch die Polizei an den Eingängen. Die gesamte Seite in Richtung Marktstraße war von Einsatzwagen zugeparkt und auf der Parkhausseite des Domplatzes stand ein Wasserwerfer.
Wir gehen daher davon aus, dass besagter Wasserwerfer – anders als am 12.12.2020 – am 27.02.2021 auch zum Einsatz kommen wird.
Die Gegenkundgebung
Und als wäre die Lage damit nicht schon undurchsichtig genug, wurde obendrein nun auch eine Gegenkundgebung des Freies Kollektiv Kaffeetrichter abgesagt. Grund hierfür ist, dass die Gegenkundgebung nicht auf den Domplatz durfte, die Polizei räumliche Schutzmaßnahmen wie Hamburger Gitter nicht garantieren wollte und aussagte, diese Versammlung – wie sie ursprünglich angemeldet war – nicht garantiert schützen zu können. Vielmehr solle sie auf den Anger ausweichen, wo es auch diesmal wieder – wie schon am 12.12.2020 – passieren könne, dass auch der letzte Einsatzwagen der Polizei für die Absicherung der Querdenken-Veranstaltung herangezogen wird. Bei Nichteingehen auf diese Auflagen würde die Gegenkundgebung ebenfalls verboten werden. Eine öffentliche Stellungnahme des Freies Kollektiv Kaffeetrichter folgt noch.
Wir haben große Bauchschmerzen, wenn wir uns das anschauen und möchten unsere Solidarität gegenüber dem Freies Kollektiv Kaffeetrichter betonen. Weder wäre der Anger in Hör- und Sichtweise gewesen, noch hätten da genügen Leute unter Wahrung der Mindestabstände drauf gepasst, damit eine Schutzwirkung durch die Teilnehmenden-Anzahl entstehen könnte. Und auch die Polizei wollte diesen Schutz nicht zugestehen, obwohl wir klassische Neonazis u.a. vom Neue Stärke Erfurt, Jugsturm oder aus Eisenach erwarten. Unter dieser Maßgabe betrachten wir die Vorgehensweise der Polizei und Versammlungsbehörde als durchaus kritisch, zumal diese Herangehensweise auch unsere zukünftigen Gegendemos gegen beispielsweise die AfD kolportieren könnte.