Offener Brief bezüglich der anhaltenden Neonaziaktivitäten in der Stielerstraße 1

Sehr geehrter Herr Lorenz,

Mitte Oktober 2015 haben Sie mit dem Verein „Volksgemeinschaft“ in Erfurt einen Mietvertrag geschlossen. Er galt für „die Fläche ‚ehemals tegut‘ links neben den ehemaligen Postfächern im Zwischengeschoss Stielerstr. 1 in 99099 Erfurt“, wie es im Vertrag heißt.

Uns ist diese Immobilie eher als Treffpunkt und Veranstaltungsraum für Neonazis aus Erfurt und darüber hinaus bekannt. Seit der Unterzeichnung des Mietvertrages konnten sich die Neonazis in der Immobilie treffen und Aktionen und gewalttätige Übergriffe planen und durchführen. Die Umgebung der Stielerstraße 1 ist zu einem gefährlichen Raum geworden, in dem sich andere Menschen nicht ohne Angst bewegen können.

Die letzte brutale Attacke fand Anfang August direkt vor der Immobilie statt; dabei wurden zwei Personen verletzt, eine davon schwer. Am 30. September 2020 endete der zeitlich befristete Mietvertrag mit dem Neonazi-Verein, der mittlerweile unter „Neue Stärke Erfurt“ firmiert. Ähnlich wie der nationalsozialistisch aufgeladene Name „Volksgemeinschaft“ ist auch die Abkürzung des aktuellen Namens „NS“ kein Zufall. Im Juni dieses Jahres befand das Amtsgericht Erfurt die zeitliche Befristung des Mietvertrags als rechtsgültig, so dass die Neonazis Ende September die Räumlichkeiten laut Vertrag „vollständig geräumt“ hätten übergeben müssen. Trotzdem prangen die Insignien des Vereins „NS“ weithin sichtbar auf dem Gebäude und die Neonazis nutzen es weiterhin ungestört für ihre menschenverachtenden Ziele. Unter anderem hetzten sie mit Flyern und einem Aufmarsch vor dem Sitz des Ortsteilrates gegen den gewählten Ortsteilbürgermeister.

Der gerichtlich angekündigte, aber nicht vollzogene, Auszug der Neonazis aus den von ihnen vermieteten Räumlichkeiten macht die Situation für die betroffenen Bewohner*innen und Akteur*innen unerträglich, die täglich mit den gewalttätigen Neonazis konfrontiert sind.

In der Verhandlung vor dem Amtsgericht hatte Ihr Rechtsbeistand die Situation als „unzumutbar“ beschrieben und gegenüber dem Vorstand des Neonazi-Vereins erklärt: „Wir wollen eigentlich nur, dass Sie rausgehen“. Es ist nicht verständlich, warum Sie von dem gültigen Rechtstitel keinen Gebrauch machen, so dass sich die Neonazis über geltendes Recht hinwegsetzen können. Sie haben die Möglichkeit, diese Situation zu beenden, dafür steht Ihnen sogar die Polizei bei der Durchsetzung zur Seite, also nutzen Sie dies doch auch.

Wir freuen uns über eine Antwort per Mail an plaetzef@riseup.net [PGP] und verbleiben
mit freundlichen Grüßen,

Auf die Plätze-Bündnis Erfurt & AG Werte und Haltung der Stadtteilkonferenz Erfurt Südost


Mitzeichnende

Wenn ihr als Privatperson oder eure Organisation den offenen Brief mitzeichnen möchte, schickt uns bitte euren Namen bzw. euer Logo an plaetzef@riseup.net. Bündnispartner werden hier nicht genannt.

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