Beim gestrigen Plenum des Auf die Plätze – Bündnisses wurde bis auf eine Enthaltung einstimmig die Mitzeichnung des folgenden offenen Briefes der Omas gegen Rechts beschlossen:
Offener Brief zum 23 Januar 2021
Am 23. Januar dieses Jahres fanden sich wieder einmal Corona-Leugner*innen und Gegner*innen der Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie auf dem Erfurter
Domplatz zusammen. Im Vorfeld bedauerte Oberbürgermeister Bausewein, dass er die Demonstration aufgrund der Gesetzeslage nicht verbieten konnte.
Die Befürchtungen, die hinter diesem Bedauern stehen, sind nicht aus der Luft gegriffen. Sie haben an diesem Tag auf beängstigende Weise Gestalt angenommen. Deshalb fordern wir, dass in Zukunft bei solchen Veranstaltungen die Versammlungsauflagen konsequent
durchgesetzt werden. Wir wollen nicht die freie Meinungsäußerung beschneiden. Jede Frau und jeder Mann sollen ihre Meinung zu den Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie frei äußern dürfen. Doch haben sie sich hierbei an geltende Gesetze und Verordnungen zu halten, und sie dürfen nicht die Gesundheit der Gesamtbevölkerung gefährden.
Am Samstag kamen bis zu 1000 Gegner*innen der Corona-Maßnahmen auf dem Domplatz zusammen. Die Polizei gab an, es habe nur wenige Ordnungsverstöße gegeben.
Augenzeugen wissen aber anderes zu berichten: In der Regel wurde der gebotene
Sicherheitsabstand nicht eingehalten, und die Teilnehmer*innen trugen zu einem großen
Teil keine Masken. Allein dies stellte ein Verstoß gegen die geltenden Bestimmungen zum
Schutz der Bevölkerung dar – zumal die Teilnehmer*innen aus ganz Deutschland, und damit auch aus Corona-Hotspots nach Erfurt kamen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es bei der Veranstaltung zu Infektionen gekommen ist, und dass durch das Verhalten dieser Wenigen die Gesundheit der Mehrheit gefährdet wurde.
Doch damit nicht genug. Hauptredner war Dr. Heinrich Fiechtner aus Stuttgart, der im April und Juni 2020 wegen seiner Äußerungen aus dem baden-württembergischen Landtag ausgeschlossen wurde, und der dann von der Polizei hinausgebracht werden musste. In Erfurt leugnete er die Existenz der Corona-Pandemie, bezeichnete die Masken als Zeichen der Unterdrückung durch die Herrschenden und als „neuen Hitlergruß“, wobei er nach der Aussage mehrerer Zeugen den rechten Arm hob! Er forderte „Lasst uns die Politiker hinwegfegen“, und „Befreit euch von der Sklavenherrschaft“. Die anwesenden Polizist*innen rief er dazu auf, sich auf die richtige Seite zu stellen, das heißt gegen den Staat. Herr Fiechtner nutzte die Demonstration dazu, zum aktiven Kampf gegen das demokratische „System“ aufzurufen. Und auch hierzu applaudierten die Teilnehmenden der Kundgebung. Die demokratiefeindliche Ausrichtung der Kundgebung wird noch durch zwei Beobachtungen unterstützt: Bekannte Thüringer Neonazis fungierten als Ordner. Während der Kundgebung wurde das Lied „Der Gott, der Eisen wachsen ließ, wollte keine Knechte“ gespielt. Das stand auch auf den Transparenten des Thüringer Heimatschutzes.
In der Kombination dieser Elemente wurde den Demonstrierenden das fatale Signal
gegeben, dass sie sich problemlos über alle Gebote hinwegsetzen können. Polizei und Staat
haben das Heft des Handelns aus der Hand gegeben. Daher fordern wir: In Zukunft sollen bei solchen Veranstaltungen die Versammlungsauflagen konsequent durchgesetzt werden. Das betrifft in der aktuellen Situation insbesondere die zum Schutz der Gesamtbevölkerung vor Infektionen erlassenen Auflagen, das Abstandsgebot
einzuhalten und einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Das gleiche gilt für das Verbot des
Zeigens verfassungsfeindlicher Symbole oder den Tatbestand der Volksverhetzung nach §
130 STGB. Wenn dies nicht möglich sein sollte, müsste die Versammlung aufgelöst werden.
Durch falsche Toleranz der Ordnungsbehörde am 23. Januar 2021 wurden die Demonstranten in ihrem Verhalten bestärkt. Wenn eine Politik des Augenmaßes, welche der Erfurter Dezernent für Ordnung vertritt, die dargestellten Folgen hat, ist sie in diesem
Augenblick fehl am Platz.
Omas gegen Rechts, Erfurt
Download des offenen Briefes als PDF
Ergänzung: Der Brief ging an Presse, Stadträt*innen & potentiell hieran interessierte Strukturen wie die unsere. Inzwischen hat die Fraktion B90/Die Grünen Erfurt im Erfurter Stadtrat die Zusage gemacht, dass sie die Inhalte dieses Protestbriefes mit in den Hauptausschuss nehmen würden. Damit müssen sich die Städtischen Verantwortlichen mit diesem auch beschäftigen und eine Antwort darauf geben.